(Fotos: Heiko Rahf)
Heute findet ein ganz besonderes Ereignis statt: Wir veranstalten zusammen mit dem Chor „Crossline“ aus Heide ein Benefizkonzert für das Mildred-Scheel-Haus in Kiel. Das Konzert ist schon lange geplant. Es ist eine Herzensangelegenheit von Axel Groß (Crossline) und mir.
Bei Ankunft an der Kirche sehe ich einen Reisebus, der Heider Chor ist offenbar schon vor Ort.
Zusammen mit Axel habe ich dieses Konzert organisiert. Bislang habe ich ihn nur einmal persönlich gesehen, und das ist Jahre her. Wir haben aber gerade in letzter Zeit einige Male telefoniert, und so erkenne ich im Gemeinderaum sofort seine Stimme. Wir begrüßen uns, und wenig später gehe ich hinüber in die Kirche, wo jetzt das Proben der gemeinsamen Lieder stattfindet. Zunächst probt Harald, der Leiter von Crossline, mit uns Kumbajah und Great is he, anschließend folgt Freedom is coming unter der Leitung von Heiko. Ja, das wird klappen.
Langsam treffen ZuhörerInnen in der Kirche ein, leider nicht in Scharen. Das liegt möglicherweise daran, dass die Kieler Nachrichten unsere Ankündigung nicht gedruckt haben. Sehr schade.
Aber „mein“ Arzt und seine Frau sind da, darüber freue ich mich wirklich sehr. Er wird auch noch ein paar Worte sagen.
Um 18:00 starten wir mit Freedom is coming. Ich merke, ich bin ganz schön angespannt und möchte mich hier auf keinen Fall blamieren.
Axel und ich gehen nach vorn, um das Publikum zu begrüßen. Ich stelle ihn und mich vor und erzähle, dass wir beide PatientInnen im Mildred-Scheel-Haus sind und vor Jahren transplantiert wurden. Diese Zeit war damals so besonders, dass ich meine Geschichte aufgeschrieben habe. Nach diesen Worten übernimmt Axel, der jetzt berichtet, dass er mein Buch (Anm. „Schinkengang - Eine Spur im Sand“) gelesen hätte und anschließend Kontakt zu mir über unsere Chor-Homepage aufgenommen hat.
Danach kündige ich Professor Valerius als Leiter des Mildred-Scheel-Hauses an. Als Erstes bemerkt er, dass er nicht der Leiter sei, sondern ein Oberarzt. Er erzählt, dass im MSH Stammzellen- bzw. Knochenmarktransplantationen durchgeführt werden. Das sei heute keine Reise mehr zum Mond, sondern eine Standardbehandlung, die ca. 150 x im Jahr vorgenommen wird. Er spannt den Bogen zum Gospel (good spell – gute Nachricht) und sagt „good spell“ sei z.B., wenn der Patient einen Spender findet. In dem Zusammenhang bittet er insbesondere die Jüngeren, sich gewebetypisieren zu lassen. Das sei nur ein einfacher Wangenabstrich und könnte über die DKMS, aber auch z.B. vor Ort im Cittipark in Kiel durchgeführt werden.
Nach dem anschließenden Applaus überlassen wir Crossline die Bühne. Sie beginnen mit Highland Cathedral. Der Chorleiter Harald begleitet den Chor während des gesamten Auftritts am Klavier, er sitzt frontal zum Chor.
Plötzlich fangen die auf einer Plexiglas-Ablage ausgebreiteten Notenblätter an, herunter zu rutschen (es sind einige Seiten!). Erst versucht er noch, sie aufzuhalten, aber er hat keine Chance. Es sieht irgendwie wild aus :-) . Zunächst singt der Chor weiter, aber schließlich winkt Harald ab. Was für ein Start, denke ich. Beim Publikum löst es Heiterkeit aus.
Man fängt an, die Blätter wieder einzusammeln, und unsere Pianistin Katharina kommt und bringt eine Art Fleecematte, auf der Harald die Notenblätter nun sicherer platzieren kann. Als alles wieder bereit ist, reißt Harald die Arme in die Luft, und alle applaudieren enthusiastisch. Highland Cathedral startet erneut und kann nun erfolgreich bis zum Ende gesungen werden. Danach geht alles glatt. Es ist ein schönes Repertoire, finde ich. Mit Hallelujah, Fields of Gold und You raise me up sind sehr populäre Stücke dabei. Das wunderschöne Shine your light hatten wir früher auch im Repertoire. Professionell moderiert wird das Programm von zwei Sängerinnen, die sich offenbar viele Gedanken gemacht haben und gut harmonieren.
Schließlich sind wir dran.
Wir stellen uns auf und beginnen mit Will the circle be unbroken. Anschließend heiße ich das Publikum nochmals im Namen von Gospelboat willkommen. Ich erzähle, dass ich während meiner Krankheit überrascht war, dass es so etwas wie einen Alltag in der Klinik für die Patienten gibt. Zur Heilung benötigt man einerseits medizinische Fachkompetenz (die Basis von allem), aber auch das Menschliche ist wichtig, nämlich ob der Patient/die Patientin respektvoll und wertschätzend behandelt wird. Im MSH habe ich mich diesbezüglich immer sehr gut aufgehoben gefühlt. Ich beschreibe darüber hinaus, dass die Räumlichkeiten in der Klinik gut ausgestattet sind, sodass es die Zeit angenehmer gemacht hat.
Natürlich weise ich auch auf unsere Texthefte hin und die Möglichkeit, mitzusingen oder zu klatschen. Im weiteren Verlauf sehe ich erfreut, dass viele Zuhörer und Zuhörerinnen dieses Angebot wahrnehmen. Die Anspannung lässt langsam nach.
Wir fahren fort mit I heard the voice of Jesus, einem getragenen, sehr schönen Lied. Heute bekommen wir es richtig gut hin, finde ich. Gerade das An- und Abschwellen der Lautstärke hat dank Heikos Dirigat eine gute Wirkung.
Gaby G. kündigt die nächsten beiden Stücke an, es geht um This is the Lord´s doing und We are going down Jordan. Gaby sieht in Ersterem eine gewisse Doppeldeutigkeit, man frage sich, warum gibt es Kriege und warum werden Menschen krank? We are going down erinnert in einigen Teilen an die Musik der 70er Jahre, meint sie.
Während das erste Lied sehr getragen ist und sich fürs Publikum eher zum Zuhören eignet, kann beim zweiten Lied mitgesungen werden, was viele auch tun.
Die nächsten beiden Stücke From a distance und Just a closer walk with thee hätten durchaus Gemeinsamkeiten, bemerkt Daniela in ihrer Ansage.
Just a closer walk punktet wie immer mit einem abrupten Tempowechsel nach den ersten beiden sehr langsamen Strophen. Dann erklingt ein wirklich cooles Bass-Solo von Gloria, und es geht im doppelten Tempo weiter. Immer wieder ein Überraschungsmoment fürs Publikum! :-)
Heiko tritt anschließend vors Mikro und kündigt an: „Und jetzt machen wir weiter mit dem Vaterunser … ,wir singen es allerdings nicht auf Deutsch, sondern auf Swahili.“ Es erklingt in Form von Baba Yetu, unserem relativ neuen afrikanischen Stück unter Beteiligung diverser Instrumente. Es kommt wie auch bei den letzten Konzerten sehr gut an.
Nach Jesus on the mainline bin ich wieder dran, um die letzten beiden Stücke von Gospelboat anzusagen. Zunächst singen wir How I got over („My soul looks back and wondered how I got over“: Meine Seele blickt sich um und wundert sich, wie sie das geschafft hat). Dieses Lied wurde während meines langen Krankenhausaufenthalts im Chor geprobt, und ich erzähle, dass meine Schwester es mit mir in der Klinik geübt hat, als es wieder möglich war. Born again hat mich auch während der Krankheit begleitet. Die erneute Premiere danach war etwas sehr Besonderes.
Mit Born again beenden wir also unseren Teil und werden mit viel Beifall belohnt. Crossline gesellt sich wieder zu uns, um die gemeinsamen Abschlusslieder zu singen. Mit Kumbajah (toller Klang) und Great is he endet schließlich das Konzert.
Ich höre im Anschluss viele begeisterte Stimmen. Später stellt sich heraus, dass trotz der nur mittelgut besuchten Kirche eine beachtliche Summe für das Mildred-Scheel-Haus zusammengekommen ist. Es hat sich demnach in jeder Hinsicht gelohnt!
Gaby von der Heydt